Alvaro Palacios: »Wein ist ein zauberhaftes, berückendes Mysterium«.
Angesichts der vielen überschwänglichen Lobeshymnen in den Medien fällt es nicht leicht, diesem Mann sachlich gerecht zu werden. Er es einem aber auch nicht leicht. Seiner Energie, seinem Esprit, seiner offenen Herzlichkeit kann sich niemand entziehen. Alvaro Palacios zählt zu den wichtigsten Winzern Spaniens und hat mit dem L’Ermita eine der Wein-Ikonen des Landes geschaffen. Wir hatten das seltene Glück, ihn drei Stunden im Weingarten – sein Lebenselixier – begleiten zu dürfen. Dabei sagt er Sätze wie: „Wein ist ein zauberhaftes, berückendes Mysterium. Er stimuliert, macht dich glücklich und gesund.“ Oder: „Der Wein fängt die Aromen des Ortes ein, an dem er wächst.“
Palacios hat vor 20 Jahren im Priorat Pionierarbeit geleistet, dann das Weingut seiner Familie in der Rioja in die Elite geführt und ist nun mit seinem Neffen Ricardo Pérez im Bierzo dabei, das Kunststück zu wiederholen. Er gilt als Wiederentdecker und Retter vergessen geglaubter Weinbauregionen und historischer Weingärten mit bis zu 100 Jahre alten Rebstöcken und schwärmt für autochthone Rebsorten wie Mencía im Bierzo und Garnacha im Priorat.
„Alles ist im Weingarten. Das Beste, das wir erreichen können, ist, die Frucht und die Aromen im Wein zu konservieren.“ Palacios spricht von Weingärten und Reben wie von lebendigen Wesen, nennt sie „spirituell, mythisch, kraftvoll, tiefgründig“, betont den „tiefen Respekt für den Weinberg, den Boden und die Rebe. Die Qualität des Weingartens ist wichtiger als alles andere, wichtiger als der Keller, wichtiger als der Winzer“, sagt er – und seine Demut klingt überzeugend.
Von seinen Lehr- und Wanderjahren in Frankreich brachte der junge Palacios Ende der 1980-er Jahre viele neue Ideen für seine Arbeit nach Spanien mit: den Gedanken der kompromisslosen Qualität, die Achtung vor Traditionen, die Liebe zu den Reben und Böden, die Idee authentischer, charaktervoller Weine aus alten Rebstöcken, extreme Ertragsbeschränkungen pro Hektar, die Rotweinvergärung in großen Holzbottichen, das Barrique als Reifemedium, die Gliederung des Sortiments in Regions-, Village- und Grand Cru-Weine, um die Besonderheiten des jeweiligen Terroirs herauszuarbeiten: „Ich wollte damit zurück zu den Zeiten vor 1900, auch damals wurden in Spanien die Weine lagenrein ausgebaut.“ Weitere wichtige Instrumente, um höchste Qualität zu erreichen: biodynamische Landwirtschaft, Vergärung mit Naturhefen, intensive Handarbeit im Weingarten, das Pflügen der Böden mit Pferden und Mulis: „Nur ein natürlicher, reiner Boden und ein gesunder, vitaler Rebstock bringen die Lage und die Aromen des Weingartens klar und rein zum Ausdruck“, so Palacios.
Der Schriftsteller Alberto Moravia sagte: „Wenn die Passion fehlt, fehlt alles. Ohne Leidenschaft ist nichts zu erreichen.“ Alvaro Palacios hat alles erreicht. Denn er ist die Leidenschaft pur.
Alvaro Palacios wurde vom internationalen Weinmagazin Decanter mit dem Titel "Decanter Man of the Year 2015" ausgezeichnet.